Die tapferen knapp 200 Zuschauer, die bei Schnee und Eisglätte den Weg in die Erlengrund-Halle gefunden hatten, kamen von der ersten Minute an aus dem Wundern nicht heraus. Der Plan war es, mit energischen und klaren Aktionen der jungen Gäste-Mannschaft sofort zu zeigen, wer Herr im Hause ist. Doch daraus wurde nach dem Führungstor von MTV-Kapitän Sophie Lütke nichts.
Mit 1:4 (9. Minute) und 3:7 (15.) gerieten die Grün-Weißen schnell in eine Notlage, die manch einem schwanen ließ, dass die Sache zum Rückrundenstart auch ziemlich in die Grütze gehen könnte. Denn mit jedem Gegentor schien das Selbstvertrauen ein Stückchen zu schwinden.
Eine klare Spielkonzeption war, wie immer, sicherlich vorhanden. Nur, umgesetzt wurde sie nicht. Im Angriff nur selten gelungene Kombinationen. Man fragte sich, warum wurde der Ball nicht mal geduldig durchgespielt? Bis zur Chance, die zwangsläufig zum Tor führen muss. Oder das Einbeziehen der Außen? Fehlanzeige. Und im Rückraum? Da war Sophie Lütke (7 Tore), die diesmal auch mit der Präzision zu kämpfen hatte, weitgehend auf sich alleingestellt. Zu wenig, um ein solches Spiel gegen eine top ausgebildete Mannschaft gewinnen zu können. Und es war erst recht zu wenig, um höheren Ansprüchen zu genügen.
Entlastung gab es da später nur von Manja Berger. Die wurde zunächst wegen Schulterbeschwerden außen vor gelassen. Sie sorgte dann aber in der zweiten Halbzeit noch für vier blitzsaubere Fernwurftreffer.
Zu spät allerdings. Auch weil Altlandsbergs 3:2:1-Abwehr nicht funktionierte. Das alles hat man schon viel besser gesehen. In der 2. Halbzeit musste man bei 8-Tore-Rückständen (16:24/44. und 18:26/49.) sogar befürchten, dass der MTV in ein echtes Debakel schlittert.
Das passierte glücklicherweise nicht. Denn immerhin stimmte die kämpferische Einstellung. Und mit einer Art Wildwest-Handball versuchte man zu retten, was nicht mehr zu retten war. Da wurde aus allen Lagen gefeuert. Da ging man in die Zweikämpfe, auch auf die Gefahr hin, den eigenen Skalp zu verlieren. Nur die Mustangs und Winnetous Silberbüchse fehlten irgendwie…
Immerhin, das Spektakel in der letzten Viertelstunde war durchaus sehenswert. Doch – mit strukturiertem Handball hatte es nicht viel zu tun.
„Heute hätten unsere Frauen noch eine oder zwei Stunden weiterspielen können, ein Erfolg wäre es aber nicht mehr geworden. Solche Tage gibt’s halt“, sagte später der MTV-Vereinsvorsitzende André Witkowski. Immerhin. das Resultat wurde noch geschönt. Und zwei blutjunge Spielerinnen, die wohl niemand auf seiner Rechnung hatte, kamen noch zu sehr sehenswertenTorerfolgen.
Die 19-jährige Monique Günter – schon zuletzt beim klar gewonnen Test gegen den Nord-Drittligisten Rostock viermal erfolgreich – brachte es in den letzten knapp acht Minuten an der Kreismitte zu drei Treffern. Und mit dem Schlusszeichen gelang der erst 16-jährigen Melanie Wüstner im zweiten Versuch ihr erstes Drittliga-Tor. Ganz abgezockt, von Linksaußen durch die Beine der gegnerischen Torhüterin. Das lässt für die Zukunft hoffen.
Hoffen lässt auch die Tatsache, dass nun Mandy Gramattke wieder mittmischt. Dennoch musste die erfahrene Rechtsaußen erkennen, dass aller Anfang – sowohl in der Abwehr als auch im Angriff – nach zweijähriger Pause (Knieverletzung, Schwangerschaft) schwer ist. Tat nach dem Spiel jeder Knochen weh? Mandy: „Das nicht. Ich fühle mich körperlich gut. Aber mit meinen Spiel war ich gar nicht zufrieden…“
Über das ganze Gesicht strahlte dagegen die überaus sympathische Trainerin der Bundesliga-Reserve aus Blomberg Lippe. Barbara Hetmanek: „Mit drei Toren Differenz hatten wir das Hinspiel verloren, mit vier Toren Differenz haben wir heute gewonnen. Da ist uns doch eine echte Revanche gelungen.“
Und wie sind die Unterschiede zu erklären? „Es klingt banal. Aber wir sind vier Monate älter geworden. Die junge Mannschaft findet immer besser zueinander“, so die mit MTV-Coach Fabian Lüdke kollegial befreundete Trainerin des Gäste-Teams. „Wir konnten uns sehr gut auf den Rückrundenstart vorbereiten“, verriet Barbara Hetmanek, „ unter anderem mit zweimal täglich Training in der Ferienwoche.“ Und wenn man dann in einer sehr kompakt agierenden Mannschaft mit einer funktionierenden 6:0-Abwehr noch ein paar Asse hat, die gewiss bald in der Bundesliga auftauchen werden, dann kann man auch strahlen. Die jungen Damen mit der Nummer 10 (Larissa Petersen (9/1 Tore) und Stefanie Schiever mit der 4 (ausgebildet beim Frankfurter HC, 6/4 Treffer) bekam man nie in den Griff. Respekt!
Wie fiel das Fazit von MTV-Trainer Fabian Lüdke aus, der doch ziemlich grübelte? „Wir sind gar nicht ins Spiel gekommen, waren geistig zu unbeweglich und immer einen Schritt langsamer. Warum das der Fall war, das müssen wir jetzt schnell analysieren und dann unsere Lehren daraus ziehen.“
Das wird auch dringend nötig sein, denn die kommende Aufgabe wird nicht leichter. Da muss der MTV, der weiterhin Spitzenreiter ist, in Halle (10. Platz) ran. Auch dieser Gegner wurde im Hinspiel geschlagen. Mit 25:12 sogar extrem klar. Doch am Sonnabend siegten die Damen aus Westfalen bei Leipzigs Bundesliga-Reserve 31:26. Eine verrückt Liga…
Bleibt noch die Frage zu klären: Wie kann man eine geknickte Mannschaft innerhalb einer Woche wieder aufrichten? Guter Rat von Barbara Hetmanek an Fabian Lüdke: „Ihr müsst zu euren Stärken zurückfinden.“ Und ihr Altlandsberger Kollege: „Ja, ja. Unsere Abwehr. Die war heute nicht so richtig vorhanden.“
Und jemand, der aus dem Rückraum pro Spiel für sechs bis acht Tore sorgt, wäre auch noch ziemlich gut…
MTV mit: Jennifer Höft, Jenny Haß; Christiane Wiechert 1, Sophie Lütke 7, Linda Mandelkow 1, Lucyna Trzczak 4/1, Viktória Várkonyi 2, Annika Fleck; Kristina Domann 3/1, Mandy Gramattke, Manja Berger 4, Monique Günter 3, Mellanie Wüstner 1.
geschrieben von Jürgen Sellert
Quelle: Homepage MTV Atlandsberg